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                                                            Dachatlas 1975 / 1980: Geneigte Dächer:  Dachtragwerke - Dr.-Ing. Wolfgang Brennecke

Grundlagen der Tragwerkswahl

 

Entwurfsgesichtspunkte

Die Entscheidung über Neigung und Deckung ist für das Äußere eines Gebäudes ebenso bestimmend wie für das Dachtragwerk. Darüber hinaus bestehen wenig Beziehungen zwischen Form und Konstruktion des Daches. Heute sind große Dachüberstände ebenso bei allen Tragwerken möglich wie ganz knappe Gesimse ohne Aufschiebling. Bei größeren Dachgauben scheiden allerdings Sparren- und Kehlbalkendächer aus. Funktionelle Überlegungen spielen nur eine Rolle, wo das Dach nicht bloß als Speicher genutzt werden soll. Die Wirtschaftlichkeit ist dagegen stets ein wichtiger, doch schwer zu erfassender Faktor. Sie zu beurteilen - selbst dann, wenn das billigste Tragwerk nicht verwendbar ist - sollen die folgenden Ausführungen und Tafeln helfen.

 

Bedeutung der Preisverhältnisse

Aussagen über die Wirtschaftlichkeit müssen den Wandel ihrer Grundlagen berücksichtigen. Bei Dachtragwerken ist das wechselnde Verhältnis zwischen Baustoff- und Bearbeitungskosten von besonderer Bedeutung. Als Kennwert dafür wird hier (wie schon auf Seite 62 ausgeführt) das Verhältnis der durchschnittlichen Kosten für 1 m³ Bauholz zu den durchschnittlichen Kosten für das Abbinden von 1 m in Kantholz benutzt und als Preisverhältnis PV bezeichnet:

Alle Vergleichsuntersuchungen sind für die drei Preisverhältnisse 50, 100 und 150 durchgeführt.

 

Berechnung der Vergleichstafeln

Die Tafeln beruhen auf Werten für rund 2500 Dachkonstruktionen, die auf elektronischen Großrechenanlagen mit eigens dafür erstellten, äußerst umfangreichen Programmen errechnet wurden. Jedes Tragwerk ist in sich optimiert (günstigste Sparrenabstände, Querschnitte, Anschlüsse usw.) und bis zur genauen Anordnung aller Nägel bemessen und durchkonstruiert, nach einem hierfür neu entwickelten Verfahren kalkuliert und zum Schluss mit zahlreichen Alternativen für andere Grundformen und Ausbildungen (z.B. für die Pfettenunterstützung) verglichen.

 

Genauigkeit

Holzbedarf und Abbundmenge sind sehr genau zu ermitteln, obwohl man über einzelne Grundannahmen streiten mag (um nur ein Beispiel zu nennen: über die Mindestbreite der Sparren). Kalkulationen schwanken dagegen in der Praxis erheblich - hier können die Rechenergebnisse nur einen Mittelwert darstellen. Kleine Kostenunterschiede in den Tafeln (weniger als etwa 5%) sind daher kaum aussagekräftig.

Der Verfasser ist für jede Mitteilung praktischer Erfahrungen mit den Tafeln ebenso dankbar, wie für andere Hinweise.

 

Anwendung der Vergleichstafeln

 

Inhalt der Tafeln

Die Tafeln zeigen für die gebräuchlichsten Dächer (15° bis 50°, Gebäudebreiten von 7 – 15 m) und für drei Preisverhältnisse (siehe links) die relativen Kosten verschiedener Tragwerke. Die 100%-Linie gibt die jeweils billigste Konstruktion an, die hierauf bezogenen Prozentwerte für die Kosten der anderen Formen sind darüber abzulesen. Um Fehlschlüsse zu vermeiden, ist der folgende Abschnitt sorgfältig zu beachten:

 

Gültigkeit der Tafeln

1. Die Tafeln setzen voraus, dass die verglichenen Konstruktionen keine wesentlichen Unterschiede in den Kosten der darunter liegenden Decke (einschließlich der Gesimse und Verankerungen) bedingen; sonst sind diese zusätzlich zu berücksichtigen (z.B. bei nicht über Tragwänden stehenden Pfosten).

2. Es wird stets die günstigste Lage der Tragglieder im Dachquerschnitt vorausgesetzt, das heißt:

- beim Kehlbalkendach: hochliegender Kehlbalken (die Mehrkosten bei niedrigerer Anordnung zeigt Bild 66 auf Seite 65),

- beim zweifach stehenden Pfettendach: Teilung der Sparren 70 : 30 (schon bei geringer Abweichung ergeben sich erhebliche Mehrkosten; sie betragen bei Teilung 80 : 20 für kleine Dächer etwa 8%, für große sogar 25 - 30% der Gesamtkosten),

- beim dreifach stehenden Pfettendach: mittig unterstützte Sparren (Abweichungen sind hier vergleichsweise harmlos; bei Teilung 60 : 40 entstehen bei kleinen Dächern nur etwa 3%, bei größeren bis 8% Mehrkosten).

3. Ziemlich unwichtig ist dagegen der Fußpunktabstand in Längsrichtung, sofern die Pfetten sinnvoll unterstützt werden (vgl. S. 62). Die Tafeln enthalten Mittelwerte aus Berechnungen für 5 und 7 m Fußpunktabstand. Die Prozentwerte lagen bei den Pfettendächern im allgemeinen nur 1‑3% auseinander, bei Sparren- und Kehlbalkendächern (die ja bei größerer Pfettenspannweite etwas günstiger sind) um 5 - 6%.

4. Die Tafeln gelten für die häufigste Belastung (Dachhaut-, Schnee-, Wind-Grundvierte 0,55, 0,75, 0,80 kN/m² = 55, 75, 80 kp/m². Bei anderen Werten verschiebt sich hauptsächlich der rechte, steil ansteigende Teil der Kurven für die Sparren- und Kehlbalkendächer - bei größerer Last nach links, bei kleinerer nach rechts (vgl. die Tafeln für 45°; bei dieser Neigung springt die anzusetzende Verkehrslast).

5. Es liegt ein Sparrenabstand von 1 m zugrunde (vgl. S. 82). Bei kleinerem Abstand wird vor allem das Kehlbalkendach ungünstiger.

6. Voraussetzung ist schließlich eine Kalkulation, die im Abbundpreis auch die Unterschiede des Arbeitsaufwandes angemessen berücksichtigt (Gewicht und Länge der Hölzer, Umfang der Bearbeitung, erforderliche Nägel usw.).

 

Allgemeine Vergleichsergebnisse

Regeln für wirtschaftliches Konstruieren

Einige gebräuchliche Regeln erwiesen sich als falsch. So ist das Kehlbalkendach keinesfalls bei mehr als 30° dem Pfettendach überlegen (siehe oben). Ebenso wenig stimmt die Behauptung nahezu aller Baukonstruktionsbücher, die freie Sparrenlänge müsse kleiner als 4,5 m sein. Die Wirtschaftlichkeitsgrenze hängt vom Preisverhältnis ab, liegt aber (außer bei ganz kleinen Dächern) stets über 5 m und kann für den Übergang vom Sparren- auf das Kehlbalkendach auf mehr als 8 m steigen [135].

Brauchbare Hinweise sind kaum als Faustregeln zu geben, sondern eher in Form von Tabellen oder Tafeln, wie sie hier folgen.

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