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                                                            Dachatlas 1975 / 1980: Geneigte Dächer:  Dachtragwerke - Dr.-Ing. Wolfgang Brennecke

Ein Dach besteht vor allem aus Dachhaut und Dachtragwerk, Während die Verantwortung für Auswahl und Ausbildung der Dachhaut allein beim Architekten liegt, teilt er sie beim Tragwerk mit einem beratenden Ingenieur - dieser fährt die erforderlichen Standsicherheitsnachweise und legt die konstruktiven Einzelheiten fest. Die Auswahl des Tragsystems erfolgt jedoch meistens durch den Architekten: durch ihn allein oder - was stets vorzuziehen und bei schwierigeren Konstruktionen unumgänglich ist - in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur. Dazu ist erforderlich, daß beide Partner mit den Gesichtspunk, tau für die Auswahl und die grundsätzliche Durchbildung von Dachtragwerken vertraut sind. Allein um diese Gesichtspunkte geht es hier, wobei in statische, Hinsicht nur einfachste Grundkenntnisse vorausgesetzt werden.

Bei der Auswahl von Tragsystemen spielen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine besondere Rolle. Zwar ergeben sich manchmal auch aus der geplanten Nutzung des Dachraums bestimmte Anforderungen, doch stehen zumeist auch dann noch verschiedene Möglichkeiten zur Wahl. Deren Kostenunterschiede werden oft unterschätzt: der Mehraufwand eines üblichen Dachtragwerks gegenüber einem sinnvoll ausgewählten und durchgebildeten beträgt nicht selten 50% (die Unterschiede sind bei den Pfettendächern größer als bei Sparren- und Kehlbalkendächern, doch sind zumeist auch bei diesen Verbesserungen möglich).

Die Frage, welches Tragwerk in einem bestimmten Fall insgesamt am günstigsten ist, lässt sich nicht leicht beantworten - zumal dafür nur wenig hilfreiche Unterlagen zur Verfügung stehen. So behandeln manche Baukonstruktionsbücher nicht mehr in Frage kommende Tragwerke ausführlicher als sinnvolle. Selbst wo das nicht der Fall ist, fehlen Angaben über die Wirtschaftlichkeit fast ganz. Das ist nicht verwunderlich: wissenschaftliche Grundlagen gibt es zu diesem Teilgebiet der Tragwerkslehre nur in unzureichendem Maße. Während Statik und Festigkeitslehre einen hohen Entwicklungsstand erreicht haben, sind die Fragen um Auswahl und wirtschaftliche Durchbildung der Tragwerke weit weniger erforscht.

Das wirkt sich bei den Dachtragwerken besonders nachteilig aus, weil kleinere Konstruktionen auf diesem Gebiet überwiegen - für sie lohnen sich Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen des einzelnen Falles kaum: der Aufwand dafür kann größer sein als die Einsparungen.

Man muß deshalb auf allgemeine KonstruktionsregeIn zurückgreifen. Diese stehen jedoch nur in beschränktem Umfang zur Verfügung - außerdem ist ihr Wert zweifelhaft, weil sie zumeist unter ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnissen entstanden sind. Ein Beispiel dafür ist die im Schrifttum vertretene Auffassung, bei größerer Dachneigung sei das Kehlbalkendach dem Pfettendach wirtschaftlich überlegen. Dies stimmt zwar, wenn man ingenieurmäßig durchgearbeitete Kehlbalkendächer mit Pfettendächern herkömmlicher Art vergleicht. Zieht man statt dessen genau so sorgfältig konstruierte Pfettendächer zum Vergleich heran, sieht das Ergebnis jedoch ganz anders aus!

Zuverlässige Konstruktionsregeln können nur durch umfangreiche systematische Untersuchungen gewonnen werden, Ein diesen Ansprüchen genügender Vergleich von Dachtragwerken wurde erstmals vor mehr als dreißig Jahren durchgeführt. Inzwischen haben sich alle Grundlagen geändert - Arbeitsmethoden wie Verbindungsmittel, Preisverhältnisse wie Vorschriften. Die Ergebnisse von damals sind infolgedessen kaum noch aussagekräftig.

Eine neue Untersuchung war überfällig. Sie durchzuführen wurde dem Verfasser durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ermöglicht. Die notwendige Untersuchung sehr vieler Dachtragwerke ließ sich nur mit Hilfe von Elektronenrechnern bewältigen. Das erforderliche Programmsystem mußte vollständig neu geschaffen werden, der Arbeitsaufwand dafür war außerordentlich hoch. Die erstellten ALGOL-Programme umfassen mehr als 6000 Zeilen. (Obwohl die benutzte Anlage des Rechenzentrums der Universität Karlsruhe für die Programme - ohne die in großem Umfang benutzten dynamischen Felder einen Speicherplatz von 64 K Wörtern zu 36 Bit, d.h. rd. 2,4 Millionen Bit vorsieht, kann sie das Programm nur in Segmente zerlegt verarbeiten.)

Die Ergebnisse des Vergleichs tausender von Dachtragwerken wurden hier z.T. in Tafeln niedergelegt, welche erstmals erlauben, die Kosten verschiedener Tragwerksformen genau zu beurteilen. Man kann daraus nicht nur das jeweils wirtschaftlichste Tragwerk entnehmen, sondern auch die Mehrkosten anderer, vielleicht im übrigen vorteilhafterer Formen.

Leider gestattet der wenige hier zur Verfügung stehend. Raum nur eine gedrängte Darstellung. Bei aller gebotenen Kürze sollen die Ergebnisse jedoch nicht nur als solche dargestellt werden um ihre richtige Anwendung zu sichern, bedürfen auch die für das Verständnis wichtigsten Grundlagen der Erörterung. Dazu gehören kurze Begründungen, warum einzelne Tragwerksformen als veraltet anzusehen sind.

Behandelt werden hauptsächlich die weitaus am häufigsten vorkommenden Tragwerke normaler, gezimmerter Hausdächer. Natürlich ist in jedem Fall sorgfältig zu prüfen, ob die übliche Anordnung eines handwerklich hergestellten Kantholzfragwerks auf einer Geschoßdecke überhaupt die richtige Lösung ist - werkmäßig hergestellte Tragwerke (wie die im Abschnitt über weitgespannte Dächer behandelten Nagelplatten-Binder) ohne Massivdecke sind trotz bauphysikalischer Nachteile u.U. vorzuziehen.

Für die weitgespannten Tragwerke blieb nur wenig Platz, er wurde vor allem einer Darstellung der wichtigsten Trägerarten aus Holz, Beton und Stahl gewidmet. Räumliche Tragwerke und nicht aus stabförmigen Traggliedern bestehende Konstruktionen ließen sich leider nicht einbeziehen,

 

Der Stoff ist in folgender Weise gegliedert:

- Zuerst werden die Wirkungsweise und die grundsätzlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Tragwerke besprochen,

- Gesichtspunkte für die Auswahl des jeweils geeignetsten Systems schließen sich an - ergänzt durch Tafeln zur Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Tragwerksformen,

- es folgen Hinweise zur Durchbildung, soweit diese auch für den Architekten von Bedeutung sein kann,

- Besonderheiten weitgespannter Dächer bilden den Schluß des Abschnitts.

 

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